Klappentext:
Der achte Fall für Carl Mørck und das Sonderdezernat Q.
An Zyperns Küste wird eine tote Frau aus dem Nahen Osten angespült. Auf der „Tafel der Schande“ in Barcelona, wo die Zahl der im Meer ertrunkenen Flüchtlinge angezeigt wird, ist sie „Opfer 2117“. Doch sie ist nicht ertrunken, sondern ermordet worden. Kurz darauf beschließt der 22-jährige Alexander in Kopenhagen, Rache zu nehmen für „Opfer 2117“, dessen Foto durch die Medien ging. Bis Level 2117 spielt er sein Game „Kill Sublime“ – dann will er wahllos morden. Als Assad vom Sonderdezernat Q das Bild der toten Frau zu Gesicht bekommt, bricht er zusammen. Denn er kannte sie nur zu gut. Ein hochemotionaler Fall für Carl Mørcks Team, der nicht nur Assad an seine Grenzen bringt.
Über den Autor:
Jussi Adler-Olsen wurde am 2. August 1950 unter dem bürgerlichen Namen Carl Valdemar Jussi Henry Adler-Olsen in Kopenhagen geboren. Er studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedensten Berufen: als Redakteur für Magazine und Comics, als Koordinator der dänischen Friedensbewegung, war Verlagschef im Bonnier-Wochenblatt TV Guiden und Aufsichtsratsvorsitzender bei verschiedenen Energiekonzernen. Sein Hobby: Das Renovieren alter Häuser. Er ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
Meine Meinung:
Das Buch ist ein in sich abgeschlossener Kriminalroman. Aber die Krimireihe um das Sonderdezernat Q umfasst inzwischen 8 Kriminalromane. „Opfer 2117“ ist der Neueste Band dieser Reihe. Man kann die Protagonisten besser verstehen, wenn man alle anderen Kriminalromane dieser Reihe davor ebenfalls gelesen hat.
Wer die Reihe kennt, freut sich, dass im Buch „Opfer 2117“ endlich das Geheimnis um Assad gelüftet wird. Zu geheimnisvoll und vage waren seine Geschichte und sein Leben in den bisherigen Bänden. Jetzt wird endlich alles klar. Man lernt Assads Familie kennen, die am Anfang der Bücherreihe noch Erwähnung findet, später jedoch nach und nach verschwindet. Vermutungen über den Erwerb seiner besonderen Fähigkeiten im Umgang mit Waffen oder Nahkampf werden bestätigt. Und man wird auch über die Geschichte in Kenntnis gesetzt, die zu seiner Aufnahme ins Sonderdezernat Q geführt hat.
Das Buch ist spannend und die Geschichte politisch immer noch und immer wieder aktuell. Die politischen Geschehnisse sind tragisch und die fiktive Geschichte um Assad und seine Freunde ebenfalls. Dieses Buch lässt kaum ein Auge trocken. Dennoch handelt es sich hierbei um einen Jussi Adler-Olsen-Krimi der altbewährten Art. Er ist spannend und bietet dem Leser, was er von Carl Mørck und seinem Sonderdezernat erwartet.
Und das sind die kuriosen Protagonisten. Es gibt ein Wiedersehen mit Rose, die sich nach zwei Jahren Stille wieder zurückmeldet. Der sanfte und unsichere Gordon wächst mit seinen Aufgaben und zum Teil sogar über sich hinaus. Der ewig mürrische Carl Mørck wird sanfter. Es gibt ein Wiedersehen / Wiederlesen mit alten Bekannten. Und selbstverständlich fehlen auch Assads merkwürdige Kamelvergleiche nicht, oder seine falsch zitierten Redensarten.
Es passieren allerdings auch einige realitätsferne Dinge in diesem Buch. Aber ist das nicht immer so? Nicht nur bei Adler-Olsen, sondern in jedem anderen Krimi auch? Klar, ist ja alles nur Fiktion. Ich habe mich allerdings ein wenig über Roses Blitzgenesung gewundert. Am Anfang des Buches war sie psychisch und physisch krank. Doch innerhalb eines Tages war sie wieder ganz die Alte. Zwei Jahre lang konnte sie nicht richtig laufen, die Füße schmerzten und sie hat ihre Wohnung kaum verlassen. Doch als Assad ihre Hilfe braucht, ist es für Rose gar kein Problem mehr, den ganzen Tag Tür-zu-Tür-Befragungen durchzuführen, während Gordon bereits ermüdet. Denn Rose trägt Sneakers. Offenbar ist alles eine Frage des richtigen Schuhwerks.
In einer anderen Szene wehrt sich eine Frau gegen ihren Angreifer mit einem Toilettensitz, den sie innerhalb von 30 Sekunden ganz leise von der Toilettenschüssel montiert hatte.
ALSO, es mag ja sein, dass dänische Toiletten anders sind als deutsche. Aber in Deutschland sind die Schrauben, mit denen ein Sitz auf einer Toilette befestigt ist, gefühlt einen halben Meter lang. Und da sich deutsche Toiletten meist an unzugänglichen Stellen befinden, ist es äußerst schwierig, die Muttern über beide meterlangen Schrauben herunterzuführen, ohne sich zu verrenken, zu keuchen, zu stöhnen und vor allem lauthals zu fluchen. Und das dauert nicht etwa eine halbe Minute, sondern eher eine halbe Stunde.
Bei meinem nächsten Urlaub in Dänemark werde ich mir die Toiletten dort mal genauer ansehen.
Mein Fazit:
„Opfer 2117“ ist ein typischer Carl Mørck-Krimi. Und er lässt sich genau so gut lesen, wie seine Vorgängerromane. Wer Spannung und gute Unterhaltung sucht, ist mit diesem Krimi bzw. der ganzen Reihe gut beraten. Die Protagonisten sind sehr fein geschrieben und einfach kurios. Aber glaub ja nicht, dass es solche Menschen wie im Sonderdezernat Q nicht gibt. Die Realitätsbezogenheit der Figuren macht die Krimireihe erst so richtig liebenswert.
Auszüge / Zitate aus dem Buch:
„Assad, Erinnerungen kommen und verschwinden. Und sie kommen wieder. Denen kann man nicht einfach die Tür öffnen und sie dann wieder aussperren, schon gar nicht die schlechten. Das weißt du nur zu gut.“
Aber sobald man die Menschen in Angst versetzt, werden die Mechanismen der Logik und eben auch der gesunde Menschenverstand gern außer Kraft gesetzt.
Schweigen ist die Waffe aller Waffen, hatte er mal gehört. Zwischenmenschliche Beziehungen und Freundschaften zerbrachen durch Schweigen. Die beste Waffe eines Politikers war das Schweigen, erst danach kam die Lüge.
Wie Heringe in der Büchse drängten sie sich in der Metro. Menschen auf dem Heimweg von der Arbeit, leere Hüllen, mit den Gedanken schon beim Abendessen, den wenigen intensiven Minuten mit den Kindern, den Fernsehserien, ein wenig Zeit allein auf der Toilette und anschließend Sex. Teilnahmslos ließen sie sich von A nach B befördern, gefangen in den banalen Gewohnheiten und Ritualen ihres durchgetakteten Lebens, in dem nichts schiefgehen durfte.
Etwa jeden zweiten Monat kam das Pflegeheim auf Carl und Vigga zu. Man müsse sich erneut mit der Situation der alten Dame befassen. Niemand sei vor ihren Eskapaden sicher. Die reichten von Brandstiftung über sexuelle Belästigung, bekleidet oder unbekleidet, an alle Mitarbeiter und Insassen des Heims, ungeachtet ihres Alters, bis hin zu vorsätzlichem Diebstahl vor allem von Pelz, sogar wenn der noch am Haustier des Betreffenden hing. Trotz fortgeschrittener Osteoporose und einem Gewicht von nur noch vierzig Kilo klaute sie ihren dementen und wehrlosen Nachbarn die Möbel, und schneller als die Pfleger rennen konnten, möblierte sie damit ihre eigene Wohnung neu. Karla hatte den Diagnosen Alzheimer und Demenz eine ganz neue Dimension hinzugefügt, und niemand konnte vorhersagen, welchen Kurs ihr mentaler Zustand in der nächsten Sekunde einschlagen würde.
Die heutige Gesellschaft bringt viele solcher Menschen hervor. Egozentrik und Gleichgültigkeit sind die Geißeln unserer Zeit.
Wenn man bis zum Hals in der Scheiße steckt, darf man den Kopf nicht hängen lassen.